Review: Das Schiff von Andreas Brandhorst im Piper Verlag

Cover: Das Schiff von Andreas Brandhorst

Die beste Nachricht seit Langem wenn es um die Science Fiction geht erreichte mich Anfang 2015:

Der Piper Verlag legte eine ambitionierte Sci-Fi Reihe auf.

Mit dabei gleich zu Anfang eine der größten Koryphäen der deutschsprachigen Phantastik – Andreas Brandhorst.

Erst kurz davor hatte ich seinen Kantaki-Zyklus entdeckt und die ersten beiden Teile der Serie lesen können.

Zwei atemberaubende Space Operas mit durchaus ernstem Hintergrund, also keine reine „Space Action“ für Freunde der seichteren Unterhaltung.


Das Schiff ist das Vehikel

Nun denn, neulich hatte ich dank dem Piper Verlag die Gelegenheit das aktuelle Werk des Autors zu beurteilen: Das Schiff.

Ich muss ehrlich sagen, Brandhorst hat sich selbst übertroffen. Ich habe in den letzten Jahren bestimmt weit über 100 Sci-Fi Romane verschlungen und

Das Schiff gehört sicherlich zur Weltklasse wenn es um visionäre Einsichten in eine mögliche Zukunft die uns ereilen könnte geht.

Brandhorst nimmt sich sehr viel vor. Er setzt nicht nur auf die Space Opera Techniken aus der Kantaki-Reihe.

Er hat dieses Mal den Anspruch Science also Wissenschaft und Forschung in seine Fiktion stärker einfließen zu lassen.

Zudem behandelt er gleichzeitig mehrere Themen denen andere Schriftsteller/innen an sich ganze Bücher widmeten.

In Das Schiff wird quasi ganz nebenbei

  1. Unsterblichkeit
  2. künstliche Intelligenz
  3. Erforschung der Galaxie
  4. ein Krieg Mensch gegen Maschine
  5. allgegenwärtige Überwachung
  6. außerirdische Zivilisationen

und etliches mehr behandelt. Keines der Themen wird jedoch zum alleinigen Träger der Handlung. Es geht nicht wie bei der Terminator-Reihe allein um das Überleben der Menschheit.

Der Konflikt zwischen der biologischen und technologischen Intelligenz ist auch nicht das Hauptthema.

Er bildet das Gerüst der Geschichte von Adam, einem greisen Astronauten der selbst inzwischen halb Roboter ist sobald er die Unendlichkeit des Alls im Auftrag der KI erkundet.

Das Schiff ist im wahrsten Sinne das Vehikel einer weit reichenden Odyssee.


60 Jahre Jugendliebe

Seine immer noch unterschwellig glühende Jugendliebe zu seiner ehemaligen Partnerin die er seltsamerweise immer wieder vergisst trägt zur Spannung bei.

Ebenso fesselnd ist der Nebenstrang der unsterblichen Dissidentin Evelyn die im Laufe der Handlung mehr oder weniger freiwillig zur Untergrundkämpferin wird und eine tragende Rolle übernimmt.

Das Schiff welches das Cover ziert ist auch noch da und ist eine stetig größer werdende oder näher kommende Bedrohung.

Dieser Handlungsstrang erinnerte mich stark an Lem’s Der Unbesiegbar oder zuletzt den letzten Teil der Spin Trilogie von Robert Charles Wilson, namens Vortex.

Beide handeln von einem menschlichen Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation die anders ausfällt als in den gängigen Sci-Fi Klischees.

Das biblische Alter von 90 Jahren des Protagonisten – im Vergleich zu den Unsterblichen eine Eintagsfliege – ist ein gelungener Kunstgriff.

Vor Allem sein stetig voranschreitender geistiger und körperlicher Verfall führen dazu, das wir uns nicht mit ihm übermäßig identifizieren wollen.

Es ist eben nicht mehr der strahlende oder abstoßende Held einer Space Opera. Anders als etwa bei der Kantaki-Serie.

Auch das Alter von Adam bzw. gerade die Unbrauchbarkeit des greisen Körpers und auch die Schwäche des Geistes loten die Grenze der Menschlichkeit aus.

Wo hört der Mensch auf und wo fängt die Maschine an? Wenn wir künstlich am Leben erhalten werden sind wir noch Menschen?

Umgekehrt finden sich auch Verweise und Motive die sich explizit auf Asimov und seine Roboter-Visionen beziehen. Wo hört die Maschine auf und wo wird sie menschlich?


Hard Sci-Fi vs Space Opera – Beides

Brandhorst ist ein überaus spannender Hard Sci-Fi Thriller gelungen der die Frage nach

  • Leben und Tod
  • Körper und Geist
  • Mensch und Maschine

unter die Lupe nimmt ohne einfache Antworten zu liefern. Die Action ist auch da, aber sie ist nicht das Wichtigste.

Der Krieg wird nicht wie so oft in der Science Fiction zum Selbstzweck.

Wer also eine Genre-typische Space Opera mit

  • strahlenden Helden
  • widerwärtigen Außerirdischen
  • mörderischen Robotern

erwartet wird vermutlich enttäuscht sein. Das Schiff ist nicht so platt. Es entzieht sich Erwartungen.

Wer buchstäblich seinen Horizont erweitern will und eine packende Geschichte auf Grundlage moderner Wissenschaft sucht ist bei Das Schiff von Andreas Brandhorst richtig.

Das Schöne an dem Roman ist, es wird nicht wissenschaftliches Wissen vermittelt und die Fiktion eingeflochten, beides hält sich die Waage und treibt die Geschehnisse voran.

Die Geschichte bleibt spannend wie eine Space Opera ohne in den Klischees einer solchen zu versumpfen.


Das Ende is keins

Das Schiff ist vielleicht nicht bahnbrechend, viele der Ideen sind wie erwähnt bereits aus anderen Werken vertraut, aber

  1. die Geschichte
  2. ihre Botschaft
  3. der Ausgang

sind es mehr als Wert die über 500 Seiten zu lesen.

Das beste ist vor Allem, das Sich Brandhorst nicht auf eine simple Utopie oder Dystopie festlegt.

Die Geschichte ist stellenweise optimistisch und andernorts wieder pessimistisch. Sie ist gewissermaßen ausgeglichen also weder Utopie noch Dystopie.

Das Ende verweigert sich dem platten Happy End aber artet auch nicht in typische Weltuntergangstimmung aus.

Gibt es einen Mittelweg? Wird Adam überleben und die verbleibende Menschheit von ca. 4 Millionen Unsterblichen retten vor sich selbst, den Maschinen und Außerirdischen?

Letztes Update: 10.03.2020